In Berlin – Sterni statt Knoppers am Morgen

Berlin, das ist verblasster Stahl und Beton in Form einer Rose. Diese Stadt ist so tot wie plattgefahrene Katzen am Straßenrand und so lebendig wie die neugeborenen Babies der strahlenden Mütter in Prenzlberg. Woanders isst man morgens Knoppers, in Berlin trinkt man Sterni. Es ist die Metropole der Einsamkeit, das Auffangbecken aller Abgestürzten, der Traumfänger aller Träumenden. Das Wunder der zugezogenen Dorfkinder. Ich bin eines von ihnen.

Berlin ist nicht die Welt, von der wir träumen. Berlin ist nur ein Teil von ihr. Der Traum schwindet schon in Lichtenberg, verliert sich in den Hochhäusern Hellersdorfs und Marzahns. Endet in Zone C. Stirbt in Brandenburg. Wird in Dresden zum sprengstoffgeladenen Albtraum. Aber kein Ding. So lange MDMA die Welt noch rosig macht, so lange das Herz der Stadt noch Minimal schlägt, so lange ist alles gut.

Wie ein Magnet zieht dieser urbane Moloch Menschen an. Ganze Dörfer gehen in ihm auf. Gefesselt vom Sein und Schein der Freiheit, gelockt von einer Grenzenlosigkeit, an deren Grenzen man sich stößt. Tegeler Fluglärm, Erbrochenes in der U-Bahn, Uringestank am Zoologischen Garten. Berlin ist beliebt. Wird geliebt. Für seine Ambivalenz.

In einer Stadt, in der nachtnächtlich tausende Menschen feiern gehen, wird eine Blockade mit 150 Menschen gegen Nazis zum Erfolg. Warmtanzen gegen Rechts. Auch der Zug der Liebe war eine Demonstration. Das hält die AfD zwar nicht davon ab, in den Senat der gefühlt liberalsten Stadt Deutschlands einzuziehen, aber es verletzt auch niemanden. Alles ist gut, so lange der Beat stimmt. Und der ist elektronisch – nicht menschlich.

Foto: © Daniel Koßmann